Frühling läßt sein blaues Band...

...wieder flattern durch die Lüfte. So begrüßte Eduard Mörike den Frühling in seinem berühmten Gedicht. Heute, zum meteorologischen Frühlingsanfang, wittern wir noch keine Frühlingsluft - es ist doch noch recht kalt. Aber die ersten Frühjahrsboten wie Schneeglöckchen und Krokus blühen schon, so langsam erwacht die Natur aus der Winterruhe. Für Menschen mit Heuschnupfen beginnt jedoch ihre jährliche Plage, denn Erlen und Hasel schicken schon ihre Pollen aus. Allerdings: Die Freude auf einen schönen Lenz kann durch nichts gedämpft werden. Hatten unsere Vorfahren auch des Frühlings Erwachen im Sinn bei den Namen Märzluft, Frühling, Wiedergrün und Pollen?

Frühling

Etwa 1044 Menschen in Deutschland (360 Telefonanschlüsse) tragen den verheißungsvollen Familiennamen Frühling, der an eine positive, frohe Natur des ersten Namenträgers denken lässt. Doch der sprachliche Befund zeigt, dass hier eine Zurückführung auf die Jahreszeit kaum möglich ist, denn das Wort Frühling war in mittelhochdeutscher Zeit, in der die Familiennamen entstanden, nicht gebräuchlich. Diese Jahreszeit hieß im Süden Lenz(e), im Norden Lente. Im größten Teil des deutschen Sprachraums wurde Lenz/Lente in der Neuzeit durch die Bezeichnung Frühjahr abgelöst; nur im schwäbischen Raum sowie in Brandenburg und Sachsen kam hierfür das Wort Frühling auf, das allmählich Eingang in die Standardsprache fand. Der Familienname Frühling jedoch findet sich weit von diesen Gebieten entfernt im Nordwesten des Sprachraums und muss folglich einen anderen Ursprung haben. Er geht zurück auf mittelniederdeutsch vrīlinc, womit ein freier Mann im Gegensatz zu einem Leibeigenen bezeichnet wurde. Die ursprünglichere Form Frieling, bei der die Rundung ī > ü ausgeblieben ist, findet sich etwas weiter südlich.

Wiedergrün

Durch das mildere Wetter im Frühling erblüht nicht nur unsere Stimmung, auch die Pflanzen beginnen wieder in sattem Grün zu strahlen. Doch die naheliegende Vermutung, wir würden den Familiennamen Wiedergrün diesem jährlichen Wandel der Natur verdanken, ist ein Trugschluss. Die etwa 129 Namenträger/-innen (das entspricht 46 Telefonanschlüssen), die sich den Familiennamen teilen, heißen aus völlig anderem Grund so. Bei Wiedergrün handelt es sich um einen Übernamen zu mittelhochdeutsch widergrīn 'Gegenwehr, Gegenbrummen' für jemanden, der sich zu verteidigen weiß. Betrachtet man die historischen Belege, so lässt sich der Name in Freiburg im Breisgau nachweisen: Dort lebte im Jahre 1431 ein Mann namens Peter Widergrin.

Märzluft

Sie ist noch etwas frisch, doch als Frühlingsbote fühlt sie sich mit jedem Sonnenstrahl ein bisschen wärmer an: die Märzluft. Ist auch bei dem gleichlautenden Familiennamen an eine Benennung nach einem weckenden Lüftchen zu denken, das um die Alpen weht, den Schnee langsam zum Schmelzen bringt und die Almen erblühen lässt? Geht man nach der Verteilung dieses Familiennamens, so erscheint diese Deutung passend, denn fast alle der etwa 93 Namenträger/-innen (32 Telefonanschlüsse) leben im Raum München. Vermutlich ist es aber kein heranwehender Frühling, der einst namengebend für diese bayrischen Familien war, sondern ein Urahn mit dem Rufnamen Marzolf (als Familienname verbreitet am Ober- und Mittelrhein). Dieser ist dem lateinischen Namen Marcellus nachgebildet, wobei die zweite Silbe durch das deutsche Rufnamenglied -(w)olf ersetzt wurde. Regional wurde Marzolf zu Merzlof und schließlich volksetymologisch zu Märzluft umgedeutet. Die etwas seltenere Variante Mertzlufft (27 Telefonanschlüsse, rund 78 Namenträger/-innen) ist außer im Raum München vor allem entlang des Rheins von Mannheim bis Germersheim verbreitet.

Pollen

Der Familienname Pollen kommt mit 37 Telefonanschlüssen (= 104 Namenträger/-innen) geballt im Raum Nettetal vor. Allerdings steckt nicht der allergieauslösende Pflanzensamen dahinter. Vielmehr kann es sich um einen Wohnstättennamen handeln zu Boll, Poll 'rundlicher Hügel'. Oder um ein Patronym (der Rufname des Vaters wird zum Familiennamen), das auf Rufnamen mit dem althochdeutschen Element bald 'kühn' (z.B. Leopold, Baldauf) zurückgeht bzw. auf Kurzformen aus den Heiligennamen Apollonius/Apollonia. Die heilige Apollonia ist die Patronin der Zahnärzte und hilft bei Zahnschmerzen, aber nach einer alten Bauernregel spielt ihr Gedenktag (9. Februar) auch eine wichtige Rolle für den Frühlingsbeginn:
"Kommt die Jungfrau Apollonia, sind auch bald die Lerchen wieder da".