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Humanistennamen

Im Zuge des Humanismus und der damit verbundenen Wertschätzung der klassischen Sprachen war es im 15.-18. Jahrhundert besonders in gebildeten Kreisen Mode, seinen Namen zu latinisieren oder zu gräzisieren. Dies geschah durch lautliche Umformung und/oder Anfügen entsprechender Endungen, zum Beispiel des Adjektivsuffixes -ius (Bock > Bockius, Klaus > Clausius), das Zugehörigkeit ausdrückt und in dieser Funktion bei römischen Gentilnamen üblich war (vgl. Tullius wörtlich ‘der Tullische’, d.h. ‘aus dem Geschlecht der Tullier’). Besonders beliebt waren zudem Genitivendungen, insbesondere -i bzw. -y (o-Deklination), vgl. Namen wie Wilhelmi, Wilhelmy (< Wilhelm, Wilhelms) und Cascorbi (< Käskorb), seltener kommen die Genitivendungen -is (konsonantische Deklination) und -ae (a-Deklination), vgl. Michaelis und Andr(e)ae sowie die Nominativendung -us (Hubert > Hubertus) vor. Ein prominentes Beispiel hierfür liefert der Name des Astronomen Nikolaus Copernicus, latinisiert aus Koppernigk (Herkunftsname zum schlesischen Ortsnamen Köppernig, siehe Deutsche Biographie, letzter Zugriff: 19.11.2021). Bei Patronymen aus fremden Rufnamen wie Petrus, Paulus ist neben humanistischem Einfluss auch eine direkte Übernahme der lateinischen Rufnamenform denkbar. Eine weitere Möglichkeit, seinen Namen nach humanistischem Ideal zu "veredeln", boten - besonders im Falle der voll transparenten Berufsnamen - Übersetzungen ins Lateinische wie Faber (< Schmidt, Schmitt, u.ä.), Molitor (< Müller, Möller) oder Pistor (< Becker, Beck). Dabei entstanden auch sog. hyperlateinische Bildungen wie Pistorius (< Pistor, Pistori), Fabricius (< Faber). Dass derartige Übersetzungen teilweise recht frei erfolgten, zeigen Fälle wie Claromontanus (< Lichtenberger). Durch Übersetzung ins Griechische wurde Schwarzerdt zu Melanchthon (wörtlich 'schwarz' + 'Erde'); ebenso entstanden gräzisierte Familiennamen auf -ander (< altgriechisch anér, Genitiv andrós 'Mann') wie Neander (< Neumann), Leander (< Volkmann). In den aktuellen deutschen Familiennamen sind Gräzisierungen im Vergleich zu Latinisierungen deutlich seltener erhalten. Lateinische Formen können zum Teil auch schon in vorhumanistischer Zeit, im Mittelalter, entstanden und durch das Lateinische als mittelalterliche Urkundensprache bedingt sein. Zu den frequentesten latinisierten Namen gehören heute Bildungen mit -i/-y, hierunter Jacobi, -y (6073+1603 Telef.), Petri, -y (3600+3106 Telef.) und Pauli, -y (3291+2127 Telef.). Die häufigste Übersetzung eines Familiennamens ist Faber (4840 Telef.). Die sog. Humanistennamen sind areal weit gestreut, bilden aber - vor allem was Latinisierungen mit -i/-y betrifft - einen Schwerpunkt im Westmitteldeutschen (Rheinland-Pfalz, Saarland). Auch außerhalb von Deutschland waren Latinisierungen und Gräzisierungen nach humanistischem Vorbild in Mode, so in den Niederlanden, in Luxemburg und besonders in Schweden, wo - ermöglicht durch das dortige liberale Namenrecht, das Umbenennung und Namenneukreationen erlaubt - dieser Trend bis heute anhält, vgl. neugebildete Familiennamen mit -ius wie Dan(i)elius, Kevinius und -ander wie Mel(l)ander, Moander.

Literaturhinweise

Literatur

  • Bergerhoff, Hugo (1918): Humanistische Einflüsse in den deutschen Familiennamen. Erster Teil. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Hohen Philosophischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg im Breisgau. Freiburg im Breisgau.
  • Kroiß, Daniel (2021): Humanistennamen. Entstehung, Struktur und Verbreitung latinisierter und gräzisierter Familiennamen. Berlin, Boston.
  • Kroiß, Daniel (2022): Faber, Fabri, Fabricius. Linguistische Aspekte bei der Bildung von Humanistennamen. In: Beiträge zur Namenforschung. 57. S. 387–430.
  • Kunze, Konrad/Nübling, Damaris (Hrsg.) (2012): Deutscher Familiennamenatlas. Band 3: Morphologie der Familiennamen. Berlin und Boston. Hier S. 732-785.
  • Nübling, Damaris (1997): Deutsch-schwedische Divergenzen in Entstehung und Struktur der Familiennamen. Ein Beitrag zur kontrastiven Onomastik. In: Beiträge zur Namenforschung (BNF). 32/2. S. 141-173.
  • Rentenaar, Rob (2003): Van humanistennaam tot humanistische familienaam. Ontstaan en ontwikkeling van een bijzonder type familienaam. In: Naamkunde. 35. S. 83-115.
  • Steffens, Rudolf (2013): Familiennamenatlas Rheinland-Pfalz, Hessen, Saarland. Ubstadt-Weiher. Hier S. 171-175.

Metadaten

Daten zur Erstellung der thematischen Information

AutorIn
Mirjam Schmuck
Veröffentlichungsdatum
16.04.2024
Zitierhinweis

Schmuck, Mirjam, Humanistennamen, in: Digitales Familiennamenwörterbuch Deutschlands,
URL: < http://www.namenforschung.net/id/thema/16/1 >