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Englische Familiennamen

Familiennamen reichen in England bis ins 11. Jahrhundert zurück. Sie wurden sukzessive eingeführt, nachdem im Jahr 1066 Wilhelm der Eroberer, Herzog der Normandie, als Wilhelm I. die englische Monarchie übernommen und Ländereien sowie Titel an seine Gefolgsleute vergeben hatte. (Normannisches) Französisch löste Englisch als Hofsprache ab, entsprechend waren auch die Bei- und Familiennamen des Hofstaats – und damit die ersten Familiennamen in England – in der Regel französisch, z.B. Übernamen wie Gernon (< altfranzösisch gernon ‘Oberlippenbart’) oder Berufsnamen wie Chamberlain (< altfranzösisch chamberlenc, chamberlain ‘Kammerherr, Haushofmeister’). Der normannische Rufnamenschatz war variantenreicher als der angelsächsische, da die Normandie ihrerseits zuvor von verschiedenen Völkern (Kelten, Römer, Franken, Wikinger) bewohnt oder regiert worden war, was zu so unterschiedlichen Patronymen wie Harvey (< altbretonisch Hærviu), Peter (< lateinisch Petrus), William (< germanisch Willihelm) und Turrell (< altnordisch Þóraldr) führte. Benennungen von Adelsfamilien nach Siedlungsnamen waren meist keine Herkunftsnamen im eigentlichen Sinn: Sie gingen meist auf den größten oder wichtigsten Besitz der Familie zurück. Oft handelte es sich dabei um Ländereien, die durch Heirat, Kauf oder als Belohnung in den Besitz der Familie gekommen waren. Diese konnten in England, aber auch in der Normandie liegen, unabhängig davon, wo die Familienmitglieder herstammten oder ihren Wohnsitz hatten. Beispielsweise geht der Name der in Norfolk ansässigen Familie Glanville auf einen Ort in der Region Calvados (Normandie) zurück, während sich die ebenfalls normannisch-stämmige Familie Tattersall nach einem Ort in Lincolnshire benannte, wo sie Landgüter besaß.

Ab dem 12. Jahrhundert breitete sich die Zweinamigkeit räumlich und sozial gestaffelt aus, zunächst im Süden Englands sowie unter Kaufleuten und Händlern, bis in der Mitte des 14. Jahrhunderts Familiennamen den Normalfall im ganzen Land in allen Gesellschaftsschichten darstellten. Gleichzeitig gingen die angelsächsischen und skandinavischen Anteile (letztere aufgrund der Besiedelung Nord- und Ostenglands durch Wikinger im 9. Jahrhundert) an der Rufnamengebung zugunsten anglo-normannischer Namen zurück. In den Familiennamen sind angelsächsische und skandinavische Rufnamen aber noch in Form von Patronymen konserviert, z.B. in Goodwin (< Gōdwine aus altenglisch gōd ‘gut’ und altenglisch wine ‘Freund’) oder Arkell (< Arnketil aus altnordisch ǫrn ‘Adler’ und altnordisch ketill ‘Kessel’).

In den appellativischen Wortschatz wurden französische Lehnwörter langsamer aufgenommen. So gehen Wohnstättennamen, die in der Regel von der einfachen Bevölkerung getragen wurden, meist auf angelsächsisches Vokabular zurück, z.B. Brook (< mittelenglisch brōk < altenglisch brōc ‘Strom, Bach’), Field (< mittelenglisch fēld < altenglisch feld ‘Feld’). Übernamen waren in allen Gesellschaftsschichten verbreitet, unterschieden sich jedoch in ihrer sprachlichen Herkunft: Französisch sprechende Familien, also solche normannischer Abstammung oder von hohem Stand, trugen Namen wie Blunt (< altfranzösisch blont ‘blond’) oder Grant (< altfranzösisch grant ‘groß, hochgewachsen’), charakteristisch für die englischsprachige Bevölkerung waren Familiennamen wie Fair (< mittelenglisch fair < altenglisch fæger ‘schön, hübsch, hell (bezogen auf Haut oder Haare)’) oder Longbone (< mittelenglisch lōng < altenglisch lang ‘lang’ und mittelenglisch bōn ‘Knochen’ < altenglisch bān ‘Bein, Knochen’). Insbesondere die Handelssprache war stark vom Französischen beeinflusst und enthielt schon früh zahlreiche französische Lehnwörter. Dies führte zu vielen synonymen Berufsbezeichnungen, die sich in Familiennamendubletten wie Flesher/Butcher (< altenglisch flǣsc ‘Fleisch’ bzw. altfranzösisch bocher ‘Fleischer’) oder Smith/Feaver (< altenglisch smiþ bzw. altfranzösisch fevre ‘Schmied’) niederschlugen.

Literaturhinweise

Literatur

  • Hanks, Patrick/Coates, Richard/McClure, Peter (2016): The Oxford Dictionary of Family Names in Britain and Ireland. Band 1. Oxford. Hier S. xvi-xxv.
  • Insley, John (2007): Das englische Personennamensystem. In: Brendler, Andrea/Brendler, Silvio (Hrsg.): Europäische Personennamensysteme. Ein Handbuch von Abasisch bis Zentralladinisch. Hamburg, S. 159-169.

Weblinks

Metadaten

Daten zur Erstellung der thematischen Information

AutorIn
Mehmet Aydin
Veröffentlichungsdatum
16.04.2024
Zitierhinweis

Aydin, Mehmet, Englische Familiennamen, in: Digitales Familiennamenwörterbuch Deutschlands,
URL: < http://www.namenforschung.net/id/thema/13/1 >