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Arabisches Namensystem

Arabisch steht auf Rang fünf der meistgesprochenen Sprachen der Welt (Ethnologue, letzter Zugriff: 09.07.2021) und ist offizielle Sprache in 23 Ländern. Darüber hinaus weitete die arabische Sprache, insbesondere auch in der Namengebung, mit der Ausbreitung des Islam ihren Einflussbereich auch auf nicht-arabischsprachige Staaten in Ost- (z.B. Tansania) und Westafrika (z.B. Nigeria), Vorder- (z.B. Iran, Türkei), Zentral- (z.B. Afghanistan, Kasachstan) und Süd- (z.B. Pakistan, Indien) und sogar Südostasien (z.B. Malaysia, Indonesien) aus. Auch in Europa finden sich erhebliche Einflüsse des Islam und damit der arabischen Sprache: Spanien wurde vom 8.-13. Jahrhundert von den muslimischen Mauren regiert; Albanien, Kosovo und Bosnien haben hohe muslimische Bevölkerungsanteile.

Anders als die meisten europäischen Namensysteme entsprechen arabische Personennamen nicht der Struktur aus Ruf- (, Mittel-) und Familienname. In der arabischen Namengebung gibt es Unterschiede je nach Herkunftsland, Religion, Ethnie und auch persönlichen Vorlieben. Im Allgemeinen bestehen arabische Personennamen jedoch aus den folgenden fünf Elementen, wobei einzelne Elemente auch mehrfach auftreten können:

Ism: Dieser wird bei der Geburt vergeben und kann mit dem Rufnamen verglichen werden.

Kunya: Diese ist ursprünglich und auch heute noch oft ein Teknonym, d.h. eine Benennung nach einem Nachkommen, meist dem ältesten Sohn. Dem Rufnamen des Kindes wird 'Abū ‘Vater von’ oder 'Umm ‘Mutter von’, manchmal zusätzlich der (gebundene) Definitartikel, vorangestellt, wie in 'Abū(-l-)Qasem ‘Vater des Qasem’ oder 'Umm (al-)Yūsuf ‘Mutter des Yusuf’. Im Laufe des Lebens kann die Kunya auch wechseln, etwa wenn zunächst nach einer Tochter benannt wird und später ein Sohn zur Welt kommt. Nicht immer wird aber nach tatsächlichen Nachkommen benannt, sondern – insbesondere, aber nicht nur – bei Kinderlosen wird der Besitz von (bzw. der Wunsch nach) positiven Eigenschaften als metaphorische Elternschaft ausgedrückt, wie in 'Abū-l-Fāḍ ‘Vater des Reichtums’ oder 'Umm al Jamā'il ‘Mutter der Schönheiten’. 'Abū und 'Umm werden im Arabischen nicht weggelassen, können aber bei der Integration als Familienname im Deutschen wegfallen.

Nasab: Hierbei handelt es sich um ein Patronym (Benennung nach dem Vater), seltener auch um ein Metronym (Benennung nach der Mutter). Dem Rufnamen des Elternteils wird traditionell Ibn/Bin ‘Sohn von’ oder Bint ‘Tochter von’, manchmal zusätzlich der Definitartikel, vorangestellt, wie in Ibn (al-)ʿAbbās ‘Sohn des Abbas’ oder Bint ʿAbdulʿazīz ‘Tochter des Abdulaziz’. Heute wird Ibn/Bin/Bint aber in vielen Ländern weggelassen, und der Nasab grenzt sich nur dadurch vom Ism ab, dass er nicht der erste Namenbestandteil ist. So ist z.B. in Ṣaddām Ḥusain (Saddam Hussein) das erste Element, Ṣaddām, der Ism und Ḥusain der Nasab (also der Ism des Vaters). Ein ins deutsche Namensystem integrierter Familienname aus einem blanken Rufnamen kann somit auf ein Patro-/Metronym oder auf ein Teknonym (siehe Kunya oben) zurückgehen. Zur genauen Identifizierung können auch mehrere Generationen genannt werden, wie in Ḫālid ibn Faiṣal ibn ʿAbdulkarīm ‘Khalid, Sohn des Faisal, Sohn des Abdulkarim’, in der Regel aber nicht mehr als drei. Nicht immer bezieht sich der Nasab auf ein Elternteil, insbesondere Namen von berühmten Vorfahren werden über mehrere Generationen hinweg als Nasab verwendet.

Nisba: Die Nisba drückt Zugehörigkeit aus und wird meist mit dem gebundenen Definitartikel und dem Adjektivsuffix gebildet. Traditionell leitet sich die Nisba aus dem Namen des Stammes ab, dem der/die Namenträger*in angehört, z.B. in al-Quraišī für jemanden, der dem Stamm Quraisch angehört, oft wird aber auch konfessionelle Zugehörigkeit (z.B. al-Mālikī ‘der der Rechtsschule der Malikiyya angehörende’), die Zugehörigkeit zu einem Berufsstand (z.B. al-ʿAṭṭārī ‘der dem Berufsstand der Gewürz-/Parfümhändler angehörende’) oder die Herkunft (z.B. al-Baġdādī ‘der aus Bagdad stammende’) ausgedrückt. Ähnlich wie Familiennamen werden Nisbas nach dem Stamm oder der Konfession vererbt, allerdings nur, weil sich auch die jeweilige Zugehörigkeit normalerweise nicht über Generationen hinweg ändert. Auch Nisbas nach dem Berufsstand werden oft vererbt und somit auch von Personen getragen, die den entsprechenden Beruf nicht ausüben. Nisbas nach der Herkunft beziehen sich aber in aller Regel auf die Geburtsorte der Namenträger*innen. Es ist auch möglich, mehrere Nisbas, z.B. nach der Herkunft und dem Beruf, hintereinander zu stellen.

Laqab: Laqabs wurden ab dem Ende des 2. Jahrhunderts vom Kalifen, später vom Sultan, als Ehrentitel verliehen, die den Namenträger*innen besondere Rollen in Bezug auf das Land oder die Religion zusprachen, z.B. Maǧd al-Dīn ‘Ruhm der Religion’ oder Niẓām al-Mulk ‘Ordnung/Ordner des Reiches’. Später wurden ähnliche Namen in Eigenbenennung angenommen, und die Bedeutungen weiteten sich zunächst auf positive Eigenschaften aus, die sich die Namenträger*innen wünschten oder für sich beanspruchten, z.B. al-Nāṣif ‘der Teilende/Gerechte’ oder al-Rāšid ‘der Reife/Rechtgeleitete’. Heute wird der Laqab auch als Übername verwendet, der Eigenschaften des/der Namenträger*in beschreibt, z.B. al-Ṭawīl ‘der Hochgewachsene’, al-Haǧǧī ‘der die Wallfahrt nach Mekka durchgeführt hat’. In Überschneidung mit der Nisba kann beim Laqab auch auf den Beruf Bezug genommen werden, z.B. al-Ḥaddād ‘der Schmied’.

In verschiedenen sozialen Situationen werden unterschiedliche Elemente des Gesamtnamens verwendet. Die vertraute Anrede kann z.B. mit dem Ism oder der Kunya erfolgen. Bei der Integration in westliche Namensysteme wird meist der Ism, seltener andere Elemente wie die Kunya, als Rufname und einer der übrigen Namenbestandteile als Familienname verwendet.

Da wissenschaftliche Transkriptionsstandards, die das arabische Laut- und Schriftbild eindeutig abbilden, mit ihren vielen diakritischen Zeichen (z.B. , ǧ, , in DIN 31635) nicht für den Alltag oder offizielle Dokumente geeignet sind, ergeben sich bei der Integration ins deutsche Namensystem oft unterschiedliche Schreibungen arabischstämmiger Namen. Dabei spielt eine Rolle, ob sich die Umschrift an einem der wissenschaftlichen Standards orientiert oder freier, z.B. in Anlehnung an eine traditionelle Schreibung, gehandhabt wird. Muḥammad würde z.B. in Anlehnung an DIN 31635 (direkt aus dem Arabischen) als Muhammad transkribiert, in Deutschland hat sich aber schon vor der Einführung des Standards die Schreibung Mohammed eingebürgert. Außerdem können dialektale Unterschiede im Arabischen zu Unterschieden führen. So wird z.B. Qaḏḏāfī aus dem Standardarabischen als Qaddafi transkribiert; da das standardarabische q im libyschen Dialekt aber als g gesprochen wird, hat sich die Schreibung Gaddafi durchgesetzt. Weiterhin kann die Schreibung durch Vermittlersprachen beeinflusst werden. Zum einen sind dies Sprachen, die die arabische Schrift, aber eine abweichende Lautung verwenden, z.B. wird das arabische kurze u im Persischen regelmäßig zu einem o wie in arabisch Hussain > persisch Hossein. Zum anderen sind die unterschiedlichen Schreibkonventionen innerhalb des lateinischen Schriftsystems relevant, z.B. wird š im Deutschen bevorzugt als sch transkribiert, im Englischen als sh und im Französischen als ch (z.B. in Raschid/Rashid/Rachid für Rāšid). Diese Konventionen kommen jedoch nicht nur in den jeweiligen Zielländern zum Einsatz, sondern wirken sich auch auf die Konventionen in den arabischsprachigen Ländern aus. So orientieren sich z.B. die nordafrikanischen Länder, die lange Zeit von Frankreich kolonisiert waren, am französischen Schriftbild; im Irak, der in den Jahren nach seiner Gründung unter britischem Mandat stand, sind Transkriptionen in der englischen Schreibungen gängig (siehe z.B. die geographische Verteilung von Rachid, letzter Zugriff: 10.07.2021 und Rashid, letzter Zugriff: 10.07.2021).

Literaturhinweise

Literatur

  • Beeston, Alfred Felix Landon (1971): Arabic Nomenclature: A summary guide for beginners.
  • Hanks, Patrick/Coates, Richard/McClure, Peter (2016): The Oxford Dictionary of Family Names in Britain and Ireland. Band 1. Oxford. Hier S. xlvii-l.
  • Hedden, Heather (2007): Arabic names. In: The Indexer: The International Journal of Indexing. 25/3. S. C9-C15.
  • Notzon, Beth/Nesom, Gayle (2005): The Arabic Naming System. In: Science Editor. 28/1. S. 20-21.

Weblinks

Metadaten

Daten zur Erstellung der thematischen Information

AutorIn
Mehmet Aydin
Veröffentlichungsdatum
16.04.2024
Zitierhinweis

Aydin, Mehmet, Arabisches Namensystem, in: Digitales Familiennamenwörterbuch Deutschlands,
URL: < http://www.namenforschung.net/id/thema/5/1 >