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Türkische Familiennamen

Das türkische Familiennamensystem unterscheidet sich durch seine spezielle Entstehungsgeschichte vom deutschen (und von den meisten anderen europäischen). Anders als bei den historisch gewachsenen Familiennamensystemen wurden die türkischen Familiennamen Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts per Gesetz eingeführt, wonach jede Familie sich in relativ kurzer Zeit selbst einen Familiennamen aussuchen und registrieren lassen musste.

Dabei ist das Familiennamengesetz im Rahmen der Republiksgründung 1923 nach dem Niedergang des Osmanischen Reichs und weiterer Reformen zu sehen, die zum Ziel hatten, die Türkei zu einem modernen, säkularen und betont türkischen Nationalstaat zu machen. Dazu gehörten z.B. die Reformierung des Bildungssystems, eine groß angelegte Sprachreform sowie ein Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der Türkei.

Das Familiennamengesetz (Soyadı Kanunu) schließlich verpflichtete 1934 jede Familie (oder genauer: die Familienoberhäupter), binnen zwei Jahren einen Familiennamen registrieren zu lassen. Das Gesetz wurde dabei von einem gesonderten Dokument mit Bestimmungen zur Familiennamenvergabe (Soyadı Nizamnamensi) begleitet, deren wichtigste waren:

§ 1: Jeder Türke muss zusätzlich zu seinem Rufnamen einen Familiennamen tragen und diesen bis spätestens 02.07.1936 auf einem Meldeamt registrieren lassen.

§ 3: Wer bis dahin keinen Familiennamen hat registrieren lassen, bekommt einen zugewiesen.

§ 5: Die Familiennamen müssen aus der türkischen Sprache stammen. (Dies galt auch für Familien anderer Ethnien, sofern sie nicht nachweisen konnten, dass sie bereits Familiennamen hatten.)

§ 8/9: Fremde Völker- oder Stammesbezeichnungen oder Ableitungen daraus dürfen nicht verwendet werden.

§ 11: Sittenwidrige, lächerliche oder diffamierende Namen dürfen nicht verwendet werden.

§ 15: Ist ein gewünschter Name im eigenen Verwaltungsbezirk schon an eine andere Familie vergeben, so kann dieser nicht mehr angenommen werden. Zusammensetzungen (z.B. mit Adjektiven wie büyük‘groß’, küçük‘klein’) sind jedoch erlaubt.

In der Praxis sah es also so aus, dass jeder Familienname beantragt werden musste und auch zurückgewiesen werden konnte. Nicht immer wurden dabei die oben genannten Regelungen beachtet: So kam es zum Beispiel recht häufig vor, dass für mehrere Familien in einem Dorf der gleiche Name eingetragen wurde; auch die Regelungen zur sprachlichen Herkunft der Namen wurden von verschiedenen Ämtern auf unterschiedliche Weise ausgelegt. Bei der Namenwahl waren der Phantasie kaum Grenzen gesetzt; so konnten Namen entstehen wie Uzunkavakaltındayataruyuroğlu‘Sohn dessen, der unter der großen Pappel liegt und schläft’. Weniger Kreative konnten aber auch entsprechende Ratgeber-Literatur zur Hilfe nehmen oder sich einen Namen aus Empfehlungslisten aussuchen, die auf den Ämtern auslagen.

Unter den türkischen Familiennamen finden sich ähnliche Motive wie bei den deutschen, jedoch kommen durch den speziellen historischen Hintergrund vier weitere Motive hinzu:

• Benennung nach religiösem Motiv (Islam, Inan, Tanriverdi),

• Benennung nach patriotischem Motiv (Öztürk, Turan, Albayrak),

• Benennung nach Rufnamenmuster (Özkan, Aslan, Yavuz, Sen),

• Benennung nach kompositionellem Muster (Senkaya, Aslantürk).

Literaturhinweise

Literatur

  • Türköz, Meltem F. (2004): The Social Life of the State's Fantasy. Memories and Documents on Turkey's 1934 Surname Law. Philadelphia.

Metadaten

Daten zur Erstellung der thematischen Information

AutorIn
Mehmet Aydin
Veröffentlichungsdatum
15.05.2025
Zitierhinweis

Aydin, Mehmet, Türkische Familiennamen, in: Digitales Familiennamenwörterbuch Deutschlands,
URL: < http://www.namenforschung.net/id/thema/34/1 >