Namengrammatik

Eigennamen bilden eine besondere Gruppe der Substantive; sie verhalten sich in vielen Aspekten anders. Dieses Sonderverhalten von Eigennamen in Bezug auf grammatische Gesichtspunkte wie Satzstellung, Flexionsverhalten usw. nennt sich Namengrammatik.

Ein Beispiel für ein solches "grammatisches Sonderverhalten" ist die einheitliche Pluralbildung mit -s: die Fischer  (Berufsbezeichnung) vs. die Fischers  (Familie). Ebenso folgen Eigennamen anderen Regeln bei der Genuszuweisung: die Wartburg vs. das schöne Hamburg, der Turm vs. das Turm (Hotel), (der) Kaiser Wilhelm vs. die Kaiser Wilhelm (Schiff).
Zudem fällt der uneinheitliche Artikelgebrauch auf: Flussnamen stehen mit Artikel (der Rhein, die Mosel), Städtenamen (sofern sie bspw. nicht mit einem Adjektiv erweitert sind: aus dem großen Düsseldorf ) ohne: aus Mainz, aus Hamburg. Ländernamen werden wiederum teilweise mit, teilweise ohne Artikel gebraucht: aus der Schweiz, aus den USA aber aus Deutschland. Besonders komplex ist die Artikelsetzung bei Ruf- (?die Anna) und Familiennamen (?die Merkel).
Ein weiteres Feld der Namengrammatik bildet außerdem die Satzstellung von Eigennamen im Genitiv: Während Genitivattribute mit wenigen Ausnahmen auf die Poststellung beschränkt sind - sie stehen also hinter ihrem Bezugsnomen (im Schatten des Baumes) - können artikellose Eigennamen im Genitiv ihrem Bezugsnomen sowohl voran- als auch nachgestellt werden: Ritas Schreibtischdas Werk Beethovens oder Beethovens WerkBerlins Bürgermeister  oder der Bürgermeister Berlins
Auffällig ist hier auch der sich etablierende Usus, Apostrophe bei Personennamen im Genitiv zu setzen, um den Namenkörper zu schützen: Hubert's Kiosk.

Welche Faktoren diese Sonderregeln beeinflussen und wie diese entstehen, ist derzeit Gegenstand weiterer Forschung.    

Literatur

Debus, Friedhelm/Heuser, Rita/Nübling, Damaris (Hrsg.) (2014): Linguistik der Familiennamen. Hildesheim, Zürich. New York.

Fahlbusch, Fabian/Nübling, Damaris (2014): Der Schauinsland – die Mobiliar – das Turm. Das referentielle Genus bei Eigennamen und seine Genese. In: Beiträge zur Namenforschung N.F. 49/3, S. 245-288.

Nübling, Damaris (2014): Das Merkel - Das Neutrum bei weiblichen Familiennamen als derogatives Genus? In: Debus/Heuser/Nübling (Hrsg.), S. 205-232.

Nübling, Damaris/Busley, Simone/Drenda, Juliane (2013): Dat Anna und s Eva – Neutrale Frauenrufnamen in deutschen Dialekten und im Luxemburgischen zwischen pragmatischer und semantischer Genuszuweisung. In: Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik 80/2, S. 152-196.

Nübling, Damaris/Fahlbusch, Fabian/Heuser, Rita (2012): Namen. Eine Einführung in die Onomastik. Tübingen, S. 64-90.

Nübling, Damaris/Schmuck, Mirjam (2010): Die Entstehung des s-Plurals bei Eigennamen als Reanalyse vom Kasus- zum Numerusmarker. Evidenzen aus der deutschen und niederländischen Dialektologie. In: Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik 77/2, S. 145-182.

Peschke, Simone (2014): Merkels Politik vs. die Politik Merkels. Eine korpusbasierte Untersuchung zur Prä- und Poststellung von Eigennamen im Genitiv. In: Debus/Heuser/Nübling (Hrsg.), S. 233-248.

Schmuck, Mirjam/Szczepaniak, Renata (2014): Der Gebrauch des Definitartikels vor Familien- und Rufnamen im Frühneuhochdeutschen aus grammatikalisierungstheoretischer Sicht. In: Debus/Heuser/Nübling (Hrsg.), S. 97-137.

Schiller, Christiane (2014): Zur funktionalen Differenzierung der Pluralformen litauischer Nachnamen. In: Debus/Heuser/Nübling (Hrsg.), S. 39-54.