Reformationstag

Am 31.10. gedenken die evangelischen Christen des Beginns der Reformation. Am Vorabend von Allerheiligen im Jahr 1517 schlug Martin Luther mit Hammer und Nagel seine 95 Thesen an die Tür der Wittenberger Schlosskirche - so will es zumindest die Überlieferung. Seine Gedanken zu einer Reformierung der Kirche sollten zunächst zu theologischen Diskussionen anregen, führten aber letztlich zur Spaltung der Konfessionen. In diesem Jahr jährt sich das Ereignis zum 500. Mal, daher richten wir kurz das Augenmerk auf Namen, die so aussehen, als ob sie etwas mit den Geschehnissen zu tun haben könnten. Aber steckt tatsächlich Luther hinter den Namen Thesenwitz, Nagler und Lutherbüse? Nannten sich besonders romtreue Katholiken etwa Papst oder Ablass?

Lutherbüse

Beim Familiennamen Lutherbüse handelt es sich nicht etwa darum, dass der Namenträger "Buße tat" für begangene Sünden zu Luthers Zeiten, als noch jeder schrieb, wie er es für gut und richtig befand. Mit dem Familiennamen Luther (Luder, Lutter u.ä.) hat der Name nämlich nichts zu tun. Will man einem Namenbuch glauben, handelt es sich beim Namen Lutherbüse um ein westfälisches Dialektwort für Lotterhos, eine Schlotterhose oder Buxe. Es ist sogar überliefert, dass Luthers Unterhosen mit Bändchen innen an den Beinkleidern oder Niederkleidern - wie bei Luther die Hosen noch hießen - angeknüpft waren, damit sie nicht herumschlotterten (Zur Keidung zu Luthers Zeiten). Es gibt noch eine häufigere Schreibvariante des besagten Namens mit Doppel-t für th: Lutterbüse. Die geographische Verteilung dieses Familiennamens in dieser häufiger belegten Schreibung findet sich bezeichnenderweise entlang und in der Nähe von Flüssen namens Lutter - einem recht häufigen Fluss- oder Bachnamen - wie z. B. an der Weser-Lutter oder Ems-Lutter, an deren Verlauf sich auf der Karte auch eine deutliche Konzentration dieses Namens abzeichnet. Es wäre nun möglich, dass es sich bei dem Familiennamen um eine Zusammensetzung des Flussnamens mit dem mittelniederdeutschen Wort Buse/Büse 'Fischerboot' handelt.

Thesenwitz

"Kommt Luther an die Schlosskirche von Wittenberg ..." So könnte ein guter Thesenwitz anfangen. Aber warum heißt jemand Thesenwitz? Weil er Luthers 95 Thesen verspottete? Wohl kaum, zumal die Bildung der Familiennamen zu Luthers Zeiten schon so gut wie abgeschlossen war. Der Familienname Thesenwitz hat einen weit weltlicheren Ursprung. Er geht nämlich auf den Ort Thesenvitz zurück, der heute Stadtteil von Bergen auf Rügen ist. Der erste Namenträger wurde nach seiner Herkunft aus diesem Ort benannt. Thesenwitz ist mit fünf Telefonanschlüssen (ca. 15 Namenträger_innen) ein recht seltener Name. Aber es gibt noch zahlreiche Varianten wie Tesenwitz, Thesenfitz oder Thessenvitz. Die häufigste davon, Thesenvitz, folgt der heutigen Schreibung des Siedlungsnamens und weist 116 Telefonanschlüsse auf.

Nagler

Seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel soll Martin Luther mit Nägeln an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg geschlagen haben. War er deshalb ein Nagler? In Deutschland tragen etwa 3324 Personen (errechnet aus 1187 Telefonanschlüssen) diesen Namen. Er geht auf das mittelhochdeutsche Wort nageler zurück und bezeichnet den Beruf des Nagelschmieds. In glühender Hitze fertigten Nagler Eisen- und Stahlnägel - täglich zwischen 500 und 4000 Stück. Um 1900 verschwand dieses Gewerbe und wurde durch die mechanische Herstellung von Nägeln ersetzt, so dass es seit etwa 1950 keine Nagelschmiede mehr gibt. Nageler (58 Anschlüsse mit 162 Namenträger_innen), Nägler (243 Anschlüsse mit 680 Namenträger_innen) und Nägeler (85 Anschlüsse mit 238 Namenträger_innen) sind seltenere Varianten dieses Familiennamens.

Papst

Sind Träger_innen des Familiennamens Papst etwa Nachfahren mittelalterlicher Päpste? Dann gäbe es ca. 1450 Personen in Deutschland (errechnet aus 482 Telefonanschlüssen), die sich auf einen klerikalen Vorfahren berufen können! Allerdings gibt es eine andere Erklärung für die Entstehung des Namens. Es ist davon auszugehen, dass die ersten Namenträger für ihr besonders würdevolles, päpstliches Verhalten bekannt waren. Genauso kann der Name auch ironisch gemeint gewesen sein und auf besonders unchristliches, selbstherrliches Verhalten anspielen. Auch denkbar ist, dass der erste Namenträger ein ehemaliger Kleriker war, der hoch hinaus wollte, und von zynischen Mitmenschen seinen Namen erhielt. Der Name geht zurück auf das mittelhochdeutsche Wort bābes, bābst,  'Papst'. Pabst mit ca. 10200 Namensträger_innen (3400 Telefonanschlüssen) ist die deutlich häufigere Schreibvariante. Nicht unerheblich ist auch die Anzahl des Namens Babst mit ca. 570 Namenträger_innen (190 Telefonanschlüsse).

Ablass

Mit der Kritik am Ablasshandel fing alles an: In seinen 95 Thesen richtete sich Martin Luther in einem Brief an den Mainzer Erzbischof Albrecht von Brandenburg "wider das Ablas". Gemeint war das Freikaufen der Seele von begangenen Sünden durch Geld, während Luther mit Berufung auf die Bibel davon überzeugt war, dass ein Sündenerlass allein durch die Gnade Gottes gewährt werden könne. Der von der Kirche betriebene Handel mit Ablassbriefen war in seinen Augen völlig wirkungslos für die Gläubigen und hielt diese sogar davon ab, Gott um wahre Vergebung zu bitten, diente also bloß der Kirche als Einnahmequelle. Die einzige Konsequenz für den Reformator: Der Ablass musste abgeschafft werden. In Deutschland jedoch hält er sich bis heute in zwei Schreibvarianten als Familienname: Je rund 90 Menschen tragen den Familiennamen Ablass oder Ablaß (32 Telefonanschlüssen). Diese Familiennamen sind jedoch nicht auf die Reformation zurückzuführen. Als abelaz wurde im Mittelhochdeutschen ein Wasserabfluss bzw. eine Schleuse bezeichnet. Die ersten Träger_innen dieses Namens wohnten wahrscheinlich an einer Stelle an einem Fluss oder an einem Bach, an der der Wasserstand reguliert werden konnte.