Das Digitale Familiennamenwörterbuch Deutschlands (DFD)

Familiennamen

Namen haben eine ausgeprägt identitätsstiftende Funktion für den Menschen: Nicht nur Ruf-, auch Familiennamen werden als fester Bestandteil der Persönlichkeit begriffen. Die Entstehung der deutschen Familiennamen reicht bis ins Mittelalter zurück, wo diese sich aus zunächst noch unfesten Beinamen entwickelt haben. Familiennamen konservieren sprachliches Material, kulturelle Gegebenheiten und mentale Einstellungen, das berufliche Spektrum in seiner ganzen Breite sowie wichtige Hinweise auf Siedlungs- und Wanderungsbewegungen des späten Mittelalters. Daher bilden sie eine hervorragende Quelle nicht nur für die Historische Sprachwissenschaft, sondern auch für die Kulturanthropologie, die Mentalitätsforschung, die Religionswissenschaften sowie die Siedlungs- und Migrationsforschung. Entsprechend groß ist das allgemeine Interesse in Öffentlichkeit und Wissenschaft an der Bedeutung, Verbreitung und Herkunft von Namen.

Das Projekt

Ziele und Vorgehen

Das Forschungsprojekt "Digitales Familiennamenwörterbuch Deutschlands (DFD)" erschließt den aktuellen Familiennamenbestand Deutschlands und stellt die Ergebnisse sämtlichen Nutzern leicht zugänglich digital zur Verfügung. Das Langzeitvorhaben wurde an der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Kooperation mit der Technischen Universität Darmstadt und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz begonnen. Erstmals sollen die derzeit in Deutschland vorkommenden Familiennamen – unter Einbeziehung der fremdsprachigen Namen – lexikographisch erfasst, kartiert und (unter Berücksichtigung des erst seit Kurzem bestehenden Wissens um die geographische Verbreitung der Namen) etymologisiert werden. Dauer des Projekts: 2012 bis vorausssichtlich 2035.

Nach Ausweis der Telekom-Datenbank (Stand: 2005) gibt es in Deutschland aktuell ca. 850.000 unterschiedliche Familiennamen, eine Zahl, die bei bisherigen Schätzungen weit unterschritten wurde. Die derzeit vorhandenen Familiennamenlexika enthalten maximal 70.000 verschiedene Namen – weniger als 10% der Gesamtzahl. Das DFD erfasst jeden Familiennamen mit mindestens zehn Telefonanschlüssen und enthält damit  einen soliden Grundbestand von ca. 200.000 Familiennamen. Erarbeitet werden die Artikel primär nach absteigender Frequenz der Familiennamen (Müller, Meyer, Schmidt), unter Einbeziehung der weniger häufigen Varianten (Meyr, Mayr). Parallel werden die betreffenden Namenfelder bearbeitet, zum einen nach thematischen Gesichtspunkten (z.B. alle Berufsnamen, die sich auf das Schmiedehandwerk beziehen, wie Schmitt, Faber, Schmiedel, Pinkepank), und zum anderen nach formalen Kriterien (z.B. Komposita wie Messerschmidt, Kleinschmidt, Blechschmidt, Schmidthuber). Das Wörterbuch ist seit Mitte 2015 mit einer Betaversion online verfügbar.

Zentrale Aufgaben des neuen Familiennamenwörterbuchs sind:

  • Zusammenführung von Bedeutungskonkurrenzen aus der vorliegenden Familiennamenliteratur.
  • Präzisierung bisheriger Deutungen und Erweiterung um Zusatzinformationen.
  • Neubewertung bisheriger Deutungen durch Ausschluss unwahrscheinlicher Bedeutungskonkurrenzen oder deren kritischer Bewertung.
  • Erstaufnahme von Namen, die Varianten zu einem häufigeren Familiennamen sind (der in einem Wörterbuch auftaucht) und deshalb nicht neu gedeutet werden müssen.
  • Erstdeutung von Familiennamen, die in keinem der überregionalen Familiennamenwörterbücher aufgenommen sind und erstmals gedeutet werden müssen.
  • Neudeutung von Familiennamen, wenn keine der bisherigen Deutungen zutreffen kann oder eine neue Deutung zu bestehenden hinzukommt.

Beispiel für eine Erstdeutung: Der Familienname Fixemer  (Karte 1) findet sich weder in den konsultierten deutschen noch in den einschlägigen fremdsprachigen Wörterbüchern. Es handelt es sich um einen Herkunftsnamen, der aus dem Siedlungsnamen Fixem (französische Gemeinde im Département Moselle, nordöstlich von Thionville) abgeleitet ist.

Beispiel für eine Neudeutung: Bisher wurde der Familienname Schillo (Karte 2) als ein Berufs- oder Übername zu sorbisch šylo 'Pfriem' gedeutet. Die Kartierung zeigt jedoch, dass dies nicht zutreffen kann, da der Name fast ausschließlich im Saarland und der südlichen Pfalz verbreitet ist, weit entfernt vom sorbischen Sprachraum in der Lausitz. Schillo kann aufgrund der geographischen Verbreitung als eingedeutschte Variante des französischen Familiennamens Gillot (Ableitung aus dem Rufnamen Ägidius) aufgefasst werden. 

Karte 1: Verbreitung des Familiennamens Fixemer (Quelle: Digitales Familiennamenwörterbuch Deutschlands)
Karte 1: Verbreitung des Familiennamens Fixemer (Quelle: Digitales Familiennamenwörterbuch Deutschlands)
Karte 2: Verbreitung des Familiennamens Schillo (Quelle: Digitales Familiennamenwörterbuch Deutschlands)
Karte 2: Verbreitung des Familiennamens Schillo (Quelle: Digitales Familiennamenwörterbuch Deutschlands)

Herstellung und Veröffentlichung

Um Familiennamen, deren Bedeutung und sprachlichen Zusammenhänge angemessen in einem elektronischen Wörterbuch zu erfassen und darzustellen, wurde für das Digitale Familiennamenwörterbuch Deutschlands eigens die digitale Arbeitsumgebung namens Onodi entwickelt.

Onodi ist modular aufgebaut und setzt sich aus dem XML-Editor oXygen zur Bearbeitung der Artikel, der nativen XML-Datenbank eXist als Speicher und dem Content-Management-System TYPO3 als Publikations- und Rechercheplattform zusammen. Diese drei Kernkomponenten werden durch das Literaturverwaltungssystem Zotero und die Kartierungssoftware ergänzt. In dem Baukasten verwendeter Software sind die einzelnen Komponenten über Schnittstellen verbunden, wodurch die jeweiligen Stärken optimal genutzt werden können.

Für eine einfache und einheitliche Erstellung der Namenartikel wurde eine grafische Nutzeroberfläche im XML-Editor erstellt, die es den RedakteurInnen ermöglicht, Namenartikel effizient zu schreiben. Alle Namenartikel sind bereits als Grundgerüstartikel in der Datenbank angelegt und enthalten alle Kerninformationen wie Häufigkeit und Rang des Familiennamens. Durch die entwickelte Schnittstelle zu TYPO3 können die fertiggestellten Artikel durch einen Klick in der Nutzeroberfläche zur Veröffentlichung freigegeben werden. Der damit angestoßene Publikationsprozess der Artikel und des zugehörigen Materials, wie Karten und thematische Informationen, verläuft automatisch.